Morris Duggan
- Georg Helm
- 12. März
- 9 Min. Lesezeit

Hi Morris,
Dein Weg zum Profifußballer ist ein eher untypischer gewesen. Der Kirchheimer SC und FC Ismaning sind jetzt nicht die klassischen Talentschmieden. Hattest Du zu dieser Zeit überhaupt die Vorstellung jemals im Fußball etwas zu erreichen?
Morris: Also als ich angefangen hab bei Kirchheim und dann bei Ismaning, hatte ich auf keinen Fall Gedanken irgendwie Profi zu werden. Ich hab mein ganzes Leben bei Kirchheim gespielt und das ist ja nicht gerade hochklassig und ich hab eigentlich nur den Schritt nach Ismaning gemacht, weil mein Dad mich so ein bisschen gepusht hat. Meine letzten Jahre bei Kirchheim war ich einer der besten und mein Dad hat wirklich mehr in mir gesehen, was ich selbst gar nicht in mir gesehen hab. Aber ich hatte da keine Gedanken irgendwie Profi zu werden. Ich wollte einfach nur Spaß haben. Also wie gesagt, weil mein Dad mich wirklich gepusht hat, sonst hätte ich wahrscheinlich diesen Schritt gar nicht gemacht.
Nach einem erfolgreichen ersten Männerjahr beim Kirchheimer SC ging es in die bayrische Viertklassigkeit für Dich. Beim VfR Garching lief es sowohl für Dich, als auch für den Verein nicht optimal. Abgebrochene Saison, Abstieg als Tabellenletzter und kein einziges Ligaspiel für Dich. War das ein verpasstes Jahr? War der Schritt vielleicht zu früh?
Morris: Für mich war der Schritt nach Garching eigentlich nur, um ein besseren Lebenslauf zu haben, weil ich hab mich, nach dem Jahr Kirchheim, dafür entschieden in die USA zu gehen und dann kam das mit Garching auf. Ich dachte nur, das sieht dann besser für Unis aus, dass ich mal vierte Liga gespielt hab. Es war eigentlich rein dadurch, damit mehr Unis auf mich aufmerksam werden. Dann persönlich lief Garching auch nicht so gut, ich hab mich auch nicht so gut mit dem Trainer verstanden und es lief dann auch total schlecht für den Verein, deswegen war die Zeit da gar nicht geil.
Nach dem „verkorksten“ Jahr ging es erstmal zurück nach Kirchheim und direkt weiter in die USA zum Team des Iowa Lakes Colleges. Wie lief das damals ab? Gab es da irgendein Stipendium?
Morris: Ich bin dann einfach noch mal nach Kirchheim zurück, bevor ich gegangen bin, um noch ein bisschen Spielzeit zu bekommen. Ich hab mich dann auch verletzt, kurz bevor ich in die USA gegangen bin. Da war ich tatsächlich so 4-6 Wochen raus und wollte einfach noch mal ein bisschen spielen.
Ich habe dann eigentlich zuerst in einem Division 2-College unterschrieben. Bin dann da auch hin geflogen, aber da hat sich rausgestellt, dass ich nicht spielberechtigt gewesen wär, in meinem ersten Jahr für die NCAA. Da gibt es so viele Regeln mit der Spielberechtigung. Die ganzen Zeugnisse und Noten, das muss alles stimmen. Bei mir gab es da ein Problem. Und dann bin ich sozusagen im letzten Moment noch nach Iowa Lakes, weil das ein Junior College ist und da ist es einfacher spielberechtigt zu sein. Es war alles so im letzten Moment und war ganz wild.
Kannst Du vielleicht für die Leser mal kurz erklären, wie das amerikanische Ligensystem generell aufgebaut ist? Weil für Dich ging es für wenige Monate zu Des Moines Menace, die ja im offiziellen System und nicht im College System mitspielen.
Morris: Also das Ligensystem ist eigentlich nicht so kompliziert. Du hast die erste Liga, die MLS und die zweite Liga, USLC. Die gehören eigentlich gar nicht zusammen. Also es sind zwei unabhängige Dinge. Es gibt die MLS und die USL ist eine neue Liga. Die wird sozusagen aber als zweite Liga gesehen. Und die USL hat dann die Championships USL1 und USL2, wobei die USL2 nicht mehr professionell ist. Das ist dann ähnlich, wie in Deutschland die Regionalliga. Nur halt viel schlechter vom Niveau.
Also als ich dann nach Des Moynes gegangen bin, hab ich diesen US-Open Cup gespielt. Das ist ähnlich wie der DFB-Pokal, kann man sagen, wo dann auch niederklassige Teams spielen können. Da die USL2 eigentlich eine Amateurliga ist, haben die auch eigentlich nie gesignte Spieler für längere Zeit, sondern die holen dann immer wenn ein Pokal ansteht oder wenn die Liga losgeht, Spieler vom College oder Ex-Profis, die nochmal angreifen wollen und bilden so ihr Team. Es ist dann nicht so, dass man Clubs hat, wo man dann mit seinen Kumpels spielt, sondern die USL2 ist dafür da, entweder vom College gesehen zu werden, dass man dann während der Saison wieder College spielt, oder die Clubs holen sich für den Open Cup dann andere Spieler ran. Ich war ja bei Iowa Lakes und da war Des Moynes einfach das nächste. Da hab ich dann eine Chance bekommen und konnte mich auch durchsetzen und da im Team spielen.
2022 nach Ablauf der Leihe ging es für Dich an das Collegeteam der Marshall University, Marshall Thundering Herd. War da schon der drafting Hintergedanke im Kopf? Oder warum schließt man sich dem Collegeligensystem an?
Morris: Ich hab mich dem Collegeligensystem angeschlossen, da man Junior College nur zwei Jahre spielen darf und ich habe nach einem Jahr eigentlich schon meinen Abschluss gehabt. Dann muss man eigentlich in das NCAA-System gehen, um deinen richtigen Abschluss zu bekommen. Marshall war auch viel, viel besser, als das Junior College.
Im ersten Jahr habe ich schon ein bisschen an das Drafting gedacht, aber es war immer noch weit entfernt, aber während des ersten Jahrs, als ich gemerkt hab, ich bin auch da einer der besten Spieler und ich gesehen habe, da wurden vorher schon manche gedraftet, da hab ich mir gedacht, das könnte wirklich was werden. Das erste Jahr lief auch ganz gut, hab jetzt noch keine Auszeichnungen bekommen, aber spielerisch hab ich es gut gemacht und im zweiten Jahr habe ich eigentlich alles gewonnen im individuellen Bereich. Und dann war für mich klar, ich werd in die MLS gehen.
Wie gerade schon angedeutet wurdest Du im nächsten Jahr, Ende 2023, gedraftet. Kannst Du auch hier vielleicht erklären, wie genau das abläuft, ob man da überhaupt noch eine Entscheidung hat, zu welchem Klub man dann genau wechselt und wie es speziell bei Dir gelaufen ist?
Morris: Draft ist eigentlich ganz simpel. Das ist das selbe System, wie in der NBA oder der NFL. Jedes Team hat immer einen Pick pro Runde und es gibt, glaube ich, vier Runden. Es werden dann die besten Spieler aus dem College gedraftet, aber auch viele sehr junge Spieler und Amerikaner. Du hast am Ende wirklich keine Ahnung, wo du landen wirst. Ich war auch bei der „Combine“, da werden vor dem Draft die besten Spieler eingeladen und trainieren und spielen ein bisschen, und da sind auch die Scouts der ganzen Teams da. Da kann man dann auch schon Interviews führen mit den Teams, die interessiert sind. Da kann man sich ein bisschen ein Bild verschaffen, wer interessiert ist. Ich hab aber mit Minnesota nicht mal ein Interview geführt, deswegen weißt du eigentlich wirklich erst am Tag des Drafts, wo du am Ende landen wirst. Und selbst dann, wenn ein Team vor dem Draft sagt, sie draften dich, kann immer noch sein, dass während des Drafts noch irgendwas passiert und sie sich dann noch umentscheiden. Für mich war es schon eine Überraschung. Ich bin super spät gedraftet worden, was ich eigentlich nicht erwartet hab. Ich war „All-American“ im College und dachte schon, dass ich früh gedraftet werde, aber zum Schluss war ich einfach nur froh gedraftet zu werden und das Ding ist dann, gedraftet zu werden heißt nicht, dann sofort einen Vertrag zu bekommen, sondern du wirst einfach nur zur Pre-season eingeladen und dann musst du performen, um deinen Vertrag zu bekommen. Das ist also gar keine Garantie.
Bist Du Fan dieses Systems? Würdest Du auch anderen Ländern raten, dieses oder ein ähnliches System einzuführen? Ist das vielleicht ein Sprungbrett ohne das Du es nicht geschafft hättest?
Morris: Das System an sich ist cool, man kann es aber nicht übertragen auf Deutschland, zum Beispiel. In den USA läuft der ganze Fußball über die Unis und daraus wird man dann gedraftet. Sowas gibt es ja in Deutschland nicht. In Deutschland ist alles Klubfußball. Das ist ein cooles System in den USA, man kann es aber nicht so wirklich vergleichen.
Wie liefen Deine ersten Monate bei Minnesota United ab? Konntest Du sofort niveautechnisch mithalten oder waren die Unterschiede zwischen Collegefußball und MLS erstmal zu groß?
Morris: Die ersten Monate in Minnesota hatten viele Höhen und Tiefen. Das Problem am Anfang war, ich war noch in Deutschland und hatte dann Probleme mit dem Visum, deswegen hab ich die ersten 1-2 Wochen der Vorbereitung erstmal verpasst. Vorbereitung war aber nur so 4-5 Wochen. Ich musste mich ja aber beweisen, um einen Vertrag zu bekommen. Deswegen war das schonmal ein kleiner Rückschlag. Ich bin dann aber direkt zum pre-season trip gekommen und hab dann auch sofort ein Vorbereitungsmatch gespielt und mich auch ganz gut angestellt. Das Niveau war natürlich anders. Es war sehr schnell, ganz anders als im College. Du bist natürlich auch nervöser. Ich war natürlich noch Rookie, trotzdem konnte ich gut mithalten und dann haben sie mir einen Vertrag für die erste Mannschaft gegeben.
Nach ein paar Monaten ging es per Leihe erstmal in die USLC, die höchste Liga, die man leistungstechnisch erreichen kann. Wie ist der leistungstechnische Unterschied von der USLC und der MLS? Wie ist der zum deutschen Fußball? Mit welcher Liga kann man die USLC vielleicht vergleichen?
Morris: Ich bin dann zu Rhode Island in die USL Championship gegangen, weil ich bei Minnesota eigentlich nur in der 2. Mannschaft gespielt habe und das Niveau da war wirklich nicht so gut. Da waren sehr, sehr viele junge Spieler und die Spiele waren einfach nicht so bedeutsam. Das war gut für mich in die USL zu gehen, weil der Unterschied zwischen MLS und USL ist schon da, aber die USL ist deutlich besser, als die MLS Next Pro, wo die 2. Mannschaft von Minnesota spielt. Es hat mir schon geholfen im professionellen Fußball dort Fuß zu fassen, da sind alles Männer und da ist auch viel Talent. Du hast auch richtig viele Fans, in Rhode Island hast du immer 3-4 Tsd. Fans mindestens. Es hat mich auf jeden Fall sehr gut vorbereitet auf dieses Jahr.
Das mit Deutschland zu vergleichen ist schwer für mich, weil ich hab nie auf dem Niveau gespielt. Aber die USL Championship ist, würde ich sagen, vergleichbar mit hohem Regionalliganiveau, vielleicht unterem Drittliganiveau, aber eher Regionalliga.
Wie stehst Du generell zu diesem Franchiseprinzip der MLS und dieser Unabsteigbarkeit der Clubs?
Morris: Ich finde, um eine richtige Fankultur herzustellen, brauchst du eigentlich schon Auf- und Abstiege, aber das ist so ja gar nicht möglich, weil die MLS und die USL sozusagen ganz andere Firmen sind. Das heißt, die würden niemals zusammenarbeiten, sodass Teams zwischen den Ligen auf- und absteigen. Die MLS müsste eine zweite Liga aufmachen, das wird aber wahrscheinlich nicht passieren. Die USL hat tatsächlich vor, den Auf- und Abstieg, wie man es in Europa kennt, zu übernehmen. Das ist ganz cool. Die MLS und die USL werden außerdem auf den europäischen Kalender umsteigen, weil das europäische System ist halt das beste und das wissen die Amerikaner auch.
Fast hättet ihr den USLC-Playoff-Titel geholt, seid aber im Finale gescheitert. Was für einen Stellenwert haben solche Titel in den USA? Sind das nur Werbeevents oder sind die Playoffs fast wichtiger als die Liga?
Morris: In den USA sind die Playoffs auf jeden Fall wichtiger als die Liga. Die Liga zu gewinnen ist auch cool, aber Playoffs sind die, die man wirklich gewinnen möchte. Das kann man gut mit dem Super Bowl vergleichen. In der NFL juckt es eigentlich keinen, wer in der Regular Season erster ist, aber wer den Super Bowl gewinnt. Das ist in den USA wirklich sehr groß.
Wir haben echt einen guten Run hingelegt. Vor allem am Anfang war Rhode Island wirklich nicht so gut, aber zum Ende haben wir richtig aufgedreht und hätten fast gewonnen, haben aber den Conference-Teil gewonnen, also das Halbfinale, was echt cool war. Und das ist echt ein geiles Gefühl. In Playoffs kann wirklich alles passieren. Jedes Team, das in die Playoffs kommt, hat wirklich eine Chance, deswegen ist das wirklich richtig cool.
Zurück in Minnesota hat die Saison letztes Wochenende begonnen. Fühlst Du Dich bereit jetzt auch in der MLS zu performen? Was sind Deine persönlichen Ziele für diese Saison und was ist für das Team drin?
Morris: Ich durfte jetzt gleich mal 90 Minuten am ersten Spieltag ran. Leider haben wir verloren, wir haben aber große Ziele dieses Jahr als Mannschaft und haben gegen LAFC, eines der besten Teams der Liga, knapp verloren, auswärts. Haben eigentlich eine gute Performance hingelegt und da müssen wir einfach weitermachen und am Samstag 3 Punkte holen.
Für mich persönlich, also ich hab ein Ziel formuliert vor der Saison, das war, mein erstes Spiel in der Regular Season von Anfang an zu spielen und das habe ich jetzt direkt schon gemacht. Die Vorbereitung lief richtig gut für mich und aktuell sieht es auch gut aus mit dem Konkurrenzkampf. Wir haben jetzt einen neuen linken Innenverteidiger geholt, aber ich schaue eigentlich nur auf mich und versuche meine beste Leistung zu bringen. Das habe ich jetzt auch schon in der Vorbereitung gemacht. Es läuft gut, ich fühl mich selbstbewusst, ich fühl mich wohl im Team, ich fühl mich wirklich, als wär ich angekommen und als würd ich da hingehören. Ich versuche einfach weiter meine Leistung zu bringen und wenn der Coach auf mich setzt, bin ich happy und wenn nicht, mach ich trotzdem weiter und geb mein bestes. Ich nehm jeden Tag, wie er ist und versuche mein bestes zu geben.
Du hast es aus dem Amateurfußball bis in die MLS geschafft und bist erst 24 Jahre alt. Wo gehts für Dich noch hin? Was sind Deine fußballerischen Ziele auf lange Sicht?
Morris: Das mit langen Zielen ist ein bisschen schwer für mich. Wenn man mir vor ein paar Jahren gesagt hätte, du spielst irgendwann in der MLS, dann wär das auch unvorstellbar gewesen für mich. Deswegen ist es echt cool zu sehen, dass alles möglich ist. Damals hat man mir gesagt, ich bin viel zu alt, um jetzt noch Profi zu werden und jetzt bin ich 24 und hab es geschafft in der MLS mein zweites Jahr zu spielen. Deswegen, es ist alles möglich. Ich hab jetzt nicht irgendwie das Ziel irgendwann mal Bundesliga zu spielen oder so. Aber ich bin für alles offen und nehme jedes Jahr, jeden Tag, wie er ist und geb immer mein bestes und dann werden sich schon Möglichkeiten eröffnen. Ich bin happy gerade, wo ich bin und versuche jetzt in der MLS Fuß zu fassen und Spielzeit zu bekommen. Dann schauen wir weiter. Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich. Ich leb gerade wirklich den Traum, mehr kann ich mir gerade nicht erhoffen. Ich bin froh, wo ich bin und geb weiter mein bestes.
Vielen Dank Morris Duggan!
Wir (die Fans des MNUFCS) sind so unglaublich glücklich, dass Morris für uns spielt. Vielen Dank für dieses wunderbaren Gespräch! Ich freue mich so sehr auf, dass wir mehr von Morris dieses Jahr sehen können.